Dribbelkünste gefragt: Israels Fußballtalente und das Militär

Israels Toptalente haben auf dem Weg zum Fußballprofi mit einer Hürde mehr zu kämpfen, als ihre Altersgenossen anderswo auf der Welt: Dem Militärdienst. In der "Welt am Sonntag" habe ich dieses Thema anhand der Situation von Nachwuchshoffnung Manor Solomon beschrieben.

Vom schwierigen Spagat zwischen Fußballkarriere und Armee hatte mir mein Freund und Kollege Ohad aus Israel vor ein paar Monaten berichtet. Der Tenor war: Schafft man es als Toptalent nicht, vor der Einberufung ins Militär ins Ausland zu wechseln und geht so dem Wehrdienst aus dem Weg, verliert man drei wichtige Jahre für eine professionelle Karriereplanung.

 

Weil die Fifa gegen internationale Transfers von Minderjährigen mittlerweile strikt vorgeht, bleibt also ein Zeitfenster vom 18. Geburtstag bis zur Einberufung, die zu diesem Zeitpunkt meist nicht lange auf sich warten lässt. Ein Transferfenster habe man in der Regel, sagt Ohad, um vor dem Militärdienst "wegzuwechseln" – das müsse man nutzen.

 

Im konkreten Fall erzählte mir Ohad von Manor Solomon. In Israel gilt er als das größte Juwel seit vielen Jahren. Kürzlich debütierte der Junge für die Nationalmannschaft – mit 17 Jahren. Heute, am 24.7.2017, wird Solomon volljährig. Er braucht bis Ende August also dringend einen Verein im Ausland, wenn er dem Wehrdienst entgehen will. Hinter den Kulissen, weiß ich, wird fieberhaft verhandelt, doch der Preis ist hoch: Angeblich verlangt Solomons Klub Maccabi Petah Tikva drei Millionen Euro für den Teenager.

 

Dass ein Wechsel ins Ausland überhaupt vor dem Militärdienst „schützt“, dafür hat einer von Solomons neuen Nationalmannschaftskollegen einst gekämpft. Der Stürmer Ben Sahar, von 2012 bis 2014 mit eher mäßigem Erfolg auch für Hertha BSC am Ball, galt vor gut zehn Jahren als Wunderknabe des israelischen Fußballs. 2006 sicherte sich der FC Chelsea für mehr als 300.000 Pfund die Dienste des damals 17-Jährigen.

 

Als die Einberufung bevorstand, blieb Sahar in London, während seine Anwälte und ein Parlamentsabgeordneter in Israel für ein Gesetz kämpften, dass es jungen Ausnahmetalenten erlauben sollte, ihren Dienst am ausländischen Wohnort zu leisten, etwa an der israelischen Botschaft.

 

Zwar wurde das „Ben-Sahar-Gesetz“ nie offiziell verabschiedet, allerdings durfte Sahar in London bleiben – und seinen Wehrdienst Stück für Stück in den Sommerferien ableisten. Diese Regelung gibt es in ähnlicher Form bis heute für einige wenige hoch talentierte junge Menschen, darunter auch Sportler.

 


Druckmittel Nationalmannschaft

 

Warum nicht einfach den Wehrdienst verweigern? Nun, zum einen ist das in Israel nicht ganz so einfach. Zum anderen gibt es ein besonderes Druckmittel, mit dem die Talente zur Disziplin getrieben werden: Die Aussicht, später einmal für die Nationalmannschaft zu spielen. Das dürfen – abgesehen von arabischen Israelis – nur Spieler, die in der Armee gedient haben.

 

Israels Startrainer Barak Bakhar, der Hapoel Beer Sheva gerade zur zweiten Meisterschaft geführt hat, wurde aus dem Militär einst unehrenhaft entlassen. Jahre später wurde seine Einladung zur Nationalmannschaft wieder zurückgenommen, als diese Episode herauskam. Bakhar leistet derzeit übrigens einen Dienst als Reservist. Immerhin gilt er als künftiger Nationaltrainer – und noch einmal will er sich eine solche Chance nicht verbauen.

 

Nach einiger Recherche stieß ich auf Amos Sasy. Gemeinsam mit Shlomi Dahan wechselte der Israeli Ende der Neunziger Jahre mit 17 Jahren zu Borussia Dortmund. Als das Militär rief, mussten die beiden zurück. Während Dahan die alte Geschichte wohl nicht aufwärmen wollte, konnte ich mit Sasy, der heute in Los Angeles lebt, am Telefon sprechen. 

 

Amos Sasy ist im Herzen Dortmunder geblieben (Foto: Instagram)
Amos Sasy ist im Herzen Dortmunder geblieben (Foto: Instagram)

"Der Schaden für meine Karriere war groß" 

 

Sasy machte keinen Hehl daraus, dass er bis heute sauer auf das Militär ist. Zumal der Wehrdienst hauptsächlich aus Nichtstun bestanden habe. Er sei vor allem wegen der Perspektive Nationalteam in die Heimat zurückgekehrt, sagte mir Sasy: „Ich war Kapitän der Juniorennationalmannschaft und wusste, dass ich zum Militär musste, wenn ich später für das A-Team auflaufen wollte. Im Rückblick war es definitiv die falsche Entscheidung, der Schaden für meine Karriere war groß.“

 

Als er drei Jahre später zum BVB zurückkehrte, waren andere längst an ihm vorbeigezogen. Über Einsätze in der zweiten Mannschaft kam der Israeli jedenfalls nicht mehr hinaus. Sasy zog einen etwas blumigen, aber spannenden Vergleich: „Eine Fußballkarriere ist wie ein Hausbau. Du kannst nicht das Erdgeschoss bauen und darauf gleich das Penthouse. Du brauchst die Stockwerke dazwischen, die haben mir gefehlt.“

 

Die ganze Geschichte über Israels Fußballtalente und den Wehrdienst, der am 23.07.17 in der "Welt am Sonntag" erschien, gibt es bei WELTplus oder hier.


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