Der Transfer-Skandal des Jahres: Eine Begegnung mit Samuel Nlend

Ein angeblicher HIV-Befund, Lügen, Tricks und Geldgeschichten: Für den kamerunischen Stürmer Samuel Nlend wird der Wechsel nach Ägypten nicht das erhoffte Karrieresprungbrett, sondern das Ende seiner Träume. Es ist der dreckigste Transferskandal 2016. Ich habe Nlend in seiner Heimatstadt getroffen.

An meinem letzten Tag in Douala konnte ich Samuel Nlend doch noch treffen. Zwei Wochen lang hatte ich jeden, den ich während meiner Scoutingreise im Oktober traf, darauf angesetzt, mir den Kontakt zu dem Spieler herzustellen. Irgendjemand besorgte mir sogar Nlends Handynummer, doch der reagierte nicht auf Anrufe und Nachrichten.

 

An jenem Sonntagmorgen allerdings sagte mir ein Freund, dass Nlend auf einem Bolzplatz spielen würde, den ich sogar schon kannte. Es sei ein Ritual, dass sich jeden Sonntag die mehr und auch weniger talentierten Fußballspieler des Viertels dort treffen, ein bisschen kicken und anschließend mit Freunden und Nachbarn ein Bier trinken gehen. Und tatsächlich: Nlend war dort und ich konnte ihn doch noch interviewen.

 

In der Kurzversion geht Nlends Geschichte so: Der junge Stürmer vom kamerunischen Spitzenklub US Douala wechselt im Sommer zum ägyptischen Traditionsverein al-Ittihad. Doch nur wenige Tage, nachdem der Vertrag unterschrieben wurde, löst al-Ittihad diesen wieder auf. Aus den Medien erfährt Nlend den angeblichen Grund: Er soll HIV-positiv sein. Während Nlend längst nach Kamerun zurückgekehrt ist, beschäftigt der Fall nun die Fifa.

 

Die Geschichte von Nlend ist so tragisch, weil sie nur schlecht ausgehen kann. Es ist ganz egal, ob die Ägypter gelogen haben mit der Behauptung, Nlend sei HIV-positiv. Und letzlich ist es auch egal, dass Ärzte versichern, er sei, sollte er den Virus in sich tragen und sich medizinisch behandeln lassen, körperlich normalerweise nicht eingeschränkt und könne durchaus Profisportler sein.

 

Das ist alles egal, weil Nlend diese Geschichte wohl nie mehr los werden wird. Seine Karriere dürfte trotz allem, was noch kommen mag, irreparablen Schaden genommen haben.

 

Um es vorwegzunehmen: Die Frage, ob Nlend nun HIV-positiv ist oder nicht, konnte ich nicht zu klären. Es steht Aussage gegen Aussage (oder vielmehr Diagnose gegen Diagnose). Man tut sich einerseits schwer damit zu glauben, dass die Ägypter eine solch abscheuliche Lüge verbreiten könnten. Anderereseits ist es ebenso schwer vorstellbar, dass Nlend sich wider besseren Wissens nicht medizinisch behandeln lassen würde. Dann nämlich wäre er in einigen Jahren tot.

 


Die Frage ist aber auch letzlich unerheblich. Was die Verantwortlichen von al-Ittihad taten, als sie die (vermeintliche) Diagnose öffentlich bekannt gaben, grenzt an Rufmord. Auch wenn wir uns alle bei der Gelegenheit hinterfragen müssen, ob es nicht heuchlerisch ist, sich über Aids-Diskussionen zu echauffieren, aber über jeden Knorpelschaden, ja, sogar jede Depression eines Spielers Bescheid zu wissen. Wie auch immer: Den Schaden trägt am Ende allein Nlend, der im Gespräch zwar ruhig wirkte, dem man aber sehr wohl anmerkte, wie schwer die Situation für ihn ist.

 

Bislang erschienen ist die ganze Geschichte in dem französischen Fußballmagazin ONZE (Ausgabe 303 vom Dez. 2016/Jan. 2017). Auf sechs Seiten und in französischer Sprache! Außerdem auf Deutsch in der Neuen Zürcher Zeitung: "Von  Douala  nach  Alexandria  und  zurück", NZZ vom 22.12.2016, und in der BILD am Sonntag vom 12.02.2017.

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